Vom Scherbenjackpot bis zum Abkratzen: Ausgraben kann alles sein – kalt, überraschend, matschig, und humorvoll, nur eines nicht: langweilig. Wir waren mit dem Referat Großvorhaben auf Ausgrabung in Neurosow, in der Uckermark, und haben die Archäolog*innen, Grabungstechniker*innen, Vermesser*innen und Arbeiter*innen bei ihrer Arbeit beobachtet, standen mit ihnen im Regen und kratzten uns gemeinsam Schicht für Schicht durch die lehmige Erde.
Wie sieht das Leben einer Archäologin aus? Was ist der Unterschied zwischen Funden und Befunden? Was ist eine Blockbergung? Warum gräbt man aus und wie geht man dabei vor? Das zehnköpfige Grabungsteam, welches sich langsam aber sicher „Spezialeinheit der LBK“ (Linienbandkeramik) nennen könnte, gräbt seit Mitte April in dem kleinen Ort nahe der polnischen Grenze aus. Der Fundplatz hat aufgrund der gefundenen Linienbandkeramik besondere Bedeutung. Das Besondere an der LBK in der Uckermark ist, dass sie hier nicht so oft vorkommt.
Insgesamt wurden drei verschiedene Zeitschichten entdeckt: Die Linienbandkeramik, die Eisenzeit und die Slawenzeit, also von 5600 v. Chr. bis ca. 600 n. Chr. Mehrere Grubenkomplexe und mindestens zwei Häuser wurden ausgegraben, was für einen Siedlungsplatz spricht. Woher die Menschen der Linienbandkeramik kamen, wie man auch bei Minusgraden ausgräbt und welches Tier, den Grabungsfortschritt regelmäßig kontrolliert, erfahrt ihr in dieser Podcastfolge.
Die Gespräche führte Anne-Marie Graatz, Pressesprecherin am BLDAM. Gesprächspartner:innen sind die Archäologin Claudia Hartung, der Archäologe Dr. Ralf Lehmphul und die Restauratorin Anna Gürschner-Vidart.
Denkmalschutz und Denkmalpflege bewahren unser kulturelles Erbe und stehen dabei immer mit anderen gesellschaftlichen Belangen und Interessenkonflikten in Interaktion. Mit dem zunehmenden Klimawandel in den letzten Jahren, der auch direkt auf die Denkmale einwirkt, muss die Denkmalpflege auf die neuen Anforderungen im Rahmen der Klimakrise reagieren. Klimabedingte Schäden an Denkmalen sind schon seit Jahren Thema. Besonders stark betroffen sind die Gartendenkmale, sodass das Land Brandenburg ein Programm zur Erfassung von Schäden und zur Schaffung von Lösungskonzepten aufgestellt hat.
Denkmalschutz ist Klimaschutz. Durch die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes im Jahr 2023 wird das deutlich. Ziel ist es, eine Bevorzugung der schadstoffarmen Energieerzeugung zu erreichen. Zusätzlich wird die Auslegung des Spannungsfeldes, welches Denkmale in der Gesetzgebung im Hinblick auf die EU-Richtlinien und Bundesrichtlinien haben, geklärt. Dabei bleibt die Einzelfallprüfung weiterhin notwendig und der Umgebungsschutz rückt als bedeutendes Kriterium der Denkmalpflege noch weiter in den Fokus. Bei der Planung von Windenergieanlagen dient eine Liste von 65 Denkmalen, bei denen eine Prüfung des Umgebungsschutzes vorgenommen wird, als Grundlage. Denkmale außerhalb dieser Übersicht sind nicht betroffen, bei ihnen erfolgt keine Überprüfung. Die vom BLDAM entwickelte Liste wird regelmäßig aktualisiert. Als Beispiele für Denkmale mit einem besonderen Umgebungsschutz können das Kloster Chorin, die Stadt Brandenburg an der Havel und das Schloss Fürstlich Drehna mit Parkanlage genannt werden.
Vor dem Hintergrund des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG) hat das BLDAM ein Heft zu Photovoltaikanlagen herausgegeben, welches eine grundsätzliche Einführung in das Thema ermöglicht und als erste Handreichung zu “Solaranlagen in der Baudenkmalpflege” für die Antragstellung dient und hier heruntergeladen werden kann. Entgegen der öffentlichen Meinung waren schätzungsweise weit über 90% der Anträge von Photovoltaikanlagen auf Denkmalen genehmigungsfähig und wurden bewilligt. Einzelne Nachbesserungen erfolgten mit Unterstützung der Denkmalpflegebehörden. Zukünftige Forschungsabsichten zu Solaranlagen in Denkmalbereichen, wie ganzen Stadtanlagen, sollen gemeinsam mit Kommunen, Gemeinden und Städten entwickelt und weitergeführt werden, damit eine denkmalgerechte und nachhaltige Energieentwicklung erreicht werden kann.
Im Gespräch mit Dr. Andreas Salgo, Referatsleiter der Baudenkmalpflege am BLDAM, erfahren wir, was Denkmalschutz und Denkmalpflege mit dem Klimaschutz zu tun haben, insbesondere die Vereinbarkeit von Denkmalen mit Windkraftanlagen und Solaranlagen und lernen die Liste der Denkmale mit besonderem Raumbezug kennen. Das Gespräch führte Dr. Christof Krauskopf, Pressesprecher des BLDAM.
Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur über die denkmalrechtliche Erlaubnisfähigkeit von Anlagen zur Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien (VV EED)
Die ersten Archäologinnen in Berlin und Brandenburg
Gertrud Dorka, Sieglind Kramer und Minna Bielefeld – diese Frauen eint ihre Leidenschaft und ihr Engagement für die Archäologie und das Schicksal in der Öffentlichkeit fast unbekannt zu sein. Gegen das Vergessen und für die Erforschung der Lebenswege früher Archäologinnen, setzt sich das Forschungsprojekt AktArcha (Akteurinnen archäologischer Forschung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften: im Feld, im Labor, am Schreibtisch) ein. Ziel des Projektes ist es, die Sichtbarkeit von Frauen in der Archäologie und der Wissenschaftsgeschichte zu erhöhen, denn Frauen waren schon immer Teil der Archäologien. Mit Hilfe der Wanderausstellung „Ein gut Theil Eigenheit – Lebenswege früher Archäologinnen“ und digitalen Vermittlungsformaten (Blog und Instagram) werden ausgewählte Frauen porträtiert und ihre Leistungen für die Archäologie herausgestellt. Wer waren die ersten Archäologinnen? Welchen Herausforderungen mussten sie sich stellen? Und wie sind die Frauen in der heutigen Landesarchäologie vertreten?
Im Gespräch mit Frau Dr. Doris Gutsmiedl-Schümann, prähistorische Archäologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projekts AktArcha, lernen wir die ersten Archäologinnen in Berlin und Brandenburg kennen, die Erfolge und Hindernisse der Archäologinnen vom 18. bis 21. Jahrhundert und erfahren mehr über die Ausstellung „Ein gut Theil Eigenheit – Lebenswege früher Archäologinnen“. Das Gespräch führte Anne-Marie Graatz, Pressesprecherin am BLDAM.
In dieser Folge der DENKMALZEIT spricht Julia Gerber (BLDAM, Pressesprecherin) mit der Restauratorin Dorothee Schmidt-Breitung über ihr Kinderbuch „Alles im Fluss. Die Marien- und Gertraudenkirche in Frankfurt (Oder)“, erschienen Anfang 2023 im Hinstorff-Verlag, herausgegeben vom BLDAM. Die Autorin erzählt von der Idee, dem Konzept und der Entstehung des Kinderbuches und gibt. Sie gibt spannende Einblicke in die Geschichten des Buches und das dort auf vielfältigste Weise vermittelte Wissen.
„Alles im Fluss“ erzählt nicht nur etwas über den Bau der Marienkirche in Frankfurt (Oder) und ihre Kunstwerke – die heute größtenteils in der St. Getraudkirche zu bestaunen sind – sondern auch ganz viel über die Geschichte der Stadt, über Handwerkstechniken, über christliche Bräuche oder auch über das Leben im Mittelalter. Durch die Augen von Personen vieler verschiedener Generationen und ihrem jeweiligen Handwerk erfahren wir Geschichte über 750 Jahre hinweg. Die Menschen im Buch sind durch die Gebäude und Objekte miteinander verbunden. Es beginnt mit Jakob dem Älteren, der als Tuchmachergeselle auf der „wilden Oder“ im Jahr 1263 nach Frankfurt reist und dort auf die große Baustelle der Marienkirche trifft. Und es endet mit der jungen Hanna, die im Jahr 2023 hilft, den Altar der Marienkirche zu restaurieren.
„Zusatzportionen“ bieten weitere Hintergründe und Fachwissen, ein praktischer Teil lädt die jungen Leser*innen zum eigenen Kreativwerden und genauen Hinsehen ein. Es geht um die Vermittlung von Baukultur, von kulturhistorischen Werten, die sich in den Dingen, in den Gebäuden und ihrer Ausstattung wiederfinden lassen. Es geht um die Entdeckung der Geschichte vor der eigenen Haustüre.
„Alles im Fluss. Die Marien- und Gertraudenkirche in Frankfurt (Oder)“
Ab 8 Jahre
Texte: Dorothee Schmidt-Breitung Illustrationen: Waltraud Johne Gestaltung: Dorothea Johne Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum (Hrsg.): DENKMALGeschichten Nr. 2 80 Seiten, durchgehend illustriert Hinstorff Verlag, Rostock 2023 ISBN 978-3-356-02438-8
Die Autorin bietet denkmalpädagogische Workshops für Schülerinnen und Schüler aus Frankfurt (Oder) an. Bei Interesse, bitte melden unter: d.schmidt-breitung@gmx.de
„Alles im Fluss“ ist der zweite Band in der Kinderbuchreiche DENKMALGeschichten. Bereits 2019 stellte „Der Geschmack von Rost und Kohle“ einer jungen Leserschaft die Geschichte der Brikettfabrik Louise in Elbe-Elster vor.
Die Stadt, nördlich von Berlin im Landkreises Barnim gelegen, kann nicht nur mit ihrer schnellen Anbindung an die Hauptstadt glänzen, sondern vor allem mit ihren spannenden Denkmalen vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Der 1230 gegründete Ort hat es zu DDR-Zeiten geschafft, die mittelalterliche Stadt- und Straßenstruktur zu erhalten. Die wichtigsten historischen Gebäude blieben erhalten, ein großer Teil der Altstadtbebauung wurde jedoch durch Plattenbauten ersetzt. Das größte und vornehmste Denkmal ist die 1519 geweihte St. Marienkirche. Sie ist eine der größten und bedeutendsten Stadtpfarrkirchen der Mark Brandenburg und besitzt eine reiche Ausstattung von vor- und nachreformatorischer Zeit.
Die Bernauer Denkmale erstrecken sich aber nicht nur über die Kernstadt, sondern auch über die angrenzende Kommune hinaus. So findet man im Norden ein ganz besonderes Denkmal, die ADGB-Schule, die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes. Das Bauwerk zählt seit 2017 zum Bauhaus-UNESCO-Weltkulturerbe und wurde 1930 von den Architekten Hannes Meyer und Hans Wittwer und Studierenden des Bauhauses entworfen. In den 1950er Jahren baute der Architekt Georg Waterstradt, welcher vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) der DDR beauftragt war, das Gebäude um. Das Gebäude vereinigt in sich zwei wichtige Zeitepochen: Die 1930er- und die 1950er Jahre, welche beide ihre architektonischen Qualitäten besaßen. Anfang der 2000er Jahre wurde die ehemalige Bundesschule umfangreich saniert und rekonstruiert sowie im Jahr 2022 ein modernes Besucherzentrum eingeweiht.
Ein weiteres herausragendes Denkmal für diese Region ist die Waldsiedlung. Ab 1958 erbaut als Schutzraum für das Politbüro der SED, die sich nach dem 17. Juni 1953 in Pankow nicht mehr sicher fühlte. Anfang der 1990er Jahre sprach man der Siedlung noch den Denkmalwert ab. Nach einer erneuten Prüfung im Jahr 2017 wurde die Entscheidung revidiert. Ausschlaggebend waren dafür die qualitätsvolle Gartengestaltung, die dort präsentierten Kunstwerke bekannter zeitgenössischer Künstler und die Freiräume in der Siedlungsgestaltung. Die Grundstruktur der Gebäude ist erhalten geblieben. Es gibt Überlegungen der Stadt, einzelne Häuser Besucher:innen zugänglich zu machen, wie zum Beispiel das Walter Ulbricht-Haus.
Und noch ein historisch bedeutender Ort gehört zur Stadt Bernau: Das Pfarrhaus in Lobetal hat durch das Ehepaar Honecker, das vom 30. Januar bis 3. April 1990 dort Asyl suchten, seine eigene und besondere Denkmalgeschichte.
Über alle diese Themen und einiges mehr sprechen in der Podcastfolge der Bernauer Bürgermeister André Stahl und der brandenburgische Landeskonservator Prof. Dr. Thomas Drachenberg.
Vermutlich jede*r, der ab und zu in Berlin und Umgebung S-Bahn fährt, kennt seine Bauten, aber kaum jemand seinen Namen: Richard Brademann (1884 – 1965), Architekt und ab 1920 Oberbaurat der Deutschen Reichsbahn. Er prägte die Berlin-Brandenburger Region in den 1920er und 1930er Jahren mit zahlreichen S-Bahn-Bauten, sowohl Bahnhofsgebäuden als auch Bauten für technische Anlagen, wie Gleichrichterwerke und Stellwerke. In Berlin baute er u.a. die Bahnhofsgebäude in Wannsee und Bornholmer Straße oder das Gleichrichterwerk Friedrichstraße.
In Brandenburg wurden erst kürzlich zwei Werke von Richard Brademann in die Landesdenkmalliste aufgenommen. Der Bahnhof Birkenwerder (1923-24), der aktuell denkmalgerecht saniert wird, steht für die frühe Elektrifizierung der Berliner Nordbahn zwischen Berlin und Oranienburg, die dem enormen Bevölkerungszuwachs und der Eingemeindung der Berliner Vororte nach 1920 folgte. Beim Gleichrichterwerk Griebnitzsee, bzw. Neubabelsberg in Potsdam (1927/28), das ebenfalls im Kontext der Elektrifizierung der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen entstand, ist zudem auch eine gestalterische Entwicklung Brademanns abzulesen, dessen spätere Bauten typischerweise aus dunkel gebrannten Backstein in sachlicher Formensprache erbaut wurden.
Im Gespräch mit Dr. Viviane Taubert, Referentin für Technik- und Industriedenkmalpflege am BLDAM, erfahren wir mehr über das Schaffen Richard Brademanns, seine architektonische Handschrift und die technischen und infrastrukturellen Entwicklungen der 1920er Jahre, aber auch über Brademanns unrühmliche Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus.
Das Kloster Chorin feiert in den Jahren 2022 und 2023 das 750. Jubiläum seiner Gründung. Nach der Säkularisation im 16. Jahrhundert diente es u.a. als Domäne und landwirtschaftlicher Betrieb – man hielt Pferde in der Kirche und züchtete in den Klostergebäuden Schweine.
Der preußische Architekt und Leiter der Oberbaudeputation des Staates Preußen, Karl Friedrich Schinkel (1782-1841), entdeckte das Kloster als besonderes Bauwerk und forderte seine Erhaltung. Letztendlich war er damit erfolgreich, erste Sanierungsarbeiten wurden vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. finanziert. Die Beschäftigung mit dem Kloster Chorin kann als Initialzündung für die preußische Denkmalpflege gelten.
Heute wird das Kloster als Museum seiner selbst genutzt. Eine umfangreiche Dauerausstellung informiert über die Gründungsgeschichte, das spirituelle Leben der Mönche und die Bedeutung des Klosters für die Denkmalpflege seit Schinkels Wirken.
Chorin ist aber kein lebloser Ort. Neben den vielen interessierten Besuchern, die dort neben einem beeindruckenden Ort und historischen Informationen auch ein Café und ein nahegelegenes Restaurant genießen können, wird das Kloster von Heiratswilligen aufgesucht. In der ehemaligen Sakristei befindet sich heute das Standesamt, wo sich Menschen unter einem wunderbaren mittelalterlichen Gewölbe trauen lassen können. Die Kapelle ist der Ort für kirchliche Trauungen sowie Andachten, Gottesdienste und Kammerkonzerte. In der Klosterkirche finden ebenfalls Konzerte statt.
Seit den 1990er wurde das gesamte Kloster saniert und gesichert, um es für künftige Generationen erhalten, die Klostergebäude erlebbar machen und die Ausstellungen einbauen zu können. Parallel forschten Historiker*innen zum Kloster, hier ist besonders der Chorin-Verein zu nennen.
Die Sanierungsarbeiten waren immer von archäologischen Untersuchungen begleitet, die zu den verschiedensten Phasen und Aspekten der Klostergeschichte wichtige Beiträge lieferten. So konnte eine in diesem Umfang nicht erwartete Vorgängerbebauung nachgewiesen werden: Unter dem Kloster liegen die Reste eines Dorfes, einer Dorfkirche und einer Burg. Die außerhalb liegende Klostermühle wurde untersucht, genau wie die Mühlgräben, in der Klosterkirche stieß man auf die bereits im 19. Jahrhundert nachgewiesenen Grablegen der askanischen Markgrafen. Viele weitere archäologische Befunde aus allen Bereichen des Klosters runden unsere Kenntnis der Klostergeschichte ab.
Zuletzt konnte 2018 bei Wegebauarbeiten östliche der Klosterkirche ein ganz besonderes Bauwerk nachgewiesen werden. Zur Burg gehörte offenbar ein riesiger Rundturm von etwa 18m Durchmesser. Allerdings hatten die Mönche den Bau zur Errichtung der Klosterkirche bis auf wenige Reste abgetragen, es blieb eine große, runde Ausbruchsgrube. Mittlerweile gab es weitere archäologische und geophysikalische Untersuchungen am Platz des ehemaligen Turms. Eine weitere Ausgrabung ist geplant.
Mit seinen Dimensionen entspricht der Turm dem Durchmesser des Burgturms von Stolpe, einem der größten Burgtürme Norddeutschlands. Er gehört zu einer Gruppe von Bauwerken, die in ganz Europa vom Hochadel errichtet wurde, von Irland bis Polen und Frankreich bis Dänemark. Chorin hat damit mit dem Kloster nicht nur ein Denkmal von mindestens nationaler Bedeutung, sondern birgt auch die Reste einer vor der Klostergründung sehr bedeutenden Burganlage der askanischen Markgrafen von Brandenburg.
Über alle diese Themen unterhalten sich in der Podcast-Folge Dr. Franziska Siedler, die Leiterin des Eigenbetriebs Kloster Chorin, Blandine Wittkopp, die seit etwa 25 Jahren alle Sanierungsarbeiten in Chorin archäologische begleitet und Dr. Christof Krauskopf.
Die Erforschung mittelalterlicher Dörfer ist ganz besonders hinsichtlich der Realien eine Herausforderung. Die Schriftquellen schweigen sich nicht komplett über die Verhältnisse im Dorf aus. Allerdings muss immer bedacht werden, dass die Schriftkundigen in der Regel nicht aus dem Kreis der Dorfbewohner*innen kamen, sondern Kleriker, seltener Adlige waren. Und diese schilderten die Landbevölkerung häufig nicht positiv, die Texte zeichnen aber auch nicht unbedingt realistische Bilder. „Gott hat drei Lebensweisen geschaffen: Bauern, Adelige und Pfaffen.“ So beschreibt der Spruchdichter Freidank im 13. Jahrhundert die Ständeaufteilung. Eine französische Buchminiatur aus dem 13. Jahrhundert, die heute in der British Library in London aufbewahrt wird, zeigt den Platz des Bauern deutlich: Der Kleriker ganz links im Bild und der zentral stehende Adlige mit Schild, Kettenpanzer, Waffenrock und Topfhelm scheinen einander zugewandt in ein Gespräch vertieft zu sein. Sie stehen gleichberechtigt, während der Bauer, kenntlich an seinem braunen Gewand und dem eisenbeschlagenen Spaten am rechten Rand hinter den beiden steht und den beiden zusieht. Seine Positionierung hinterlässt den Eindruck, dass er nicht so recht dazugehört.
Spott über den Bauern war bei den Eliten dementsprechend weit verbreitet.
„Sah man je einen Bauern so fröhlich-toll wie diesen Kerl da? Weiß Gott! An der Spitze muß er stets bei meinem Reigen sein. Einen Gürtel wie zwei Hände breit hat sein Schwert. Eingebildet ist er mächtig auf die neue Joppe. Aus vierundzwanzig kleinen Stücken besteht sie. Die Ärmel reichen bis auf die Hand. Ein Stück wie dieses kann man nur an solchem Hanswurst finden.“
Das mit dem Titel „Das guldin hun“, also das goldene Huhn, überschriebene Lied des Dichters Neidhart von Reuental findet sich in der Riedschen Handschrift, die um 1400 in Nürnberg entstanden ist. Heute wird sie in der Staatsbibliothek zu Berlin aufbewahrt, sie ist komplett digitalisiert und kann im Internet angeschaut werden.
Neidhart charakterisiert die Bauern als anmaßend, sie kleiden und bewaffnen sich so, wie es ihnen nicht geziemt. Eine realistische Schilderung des Alltagslebens hatten die Autoren dieser Texte jedoch nicht im Sinn.
Mittelalterliche Bildquellen lassen da etwas deutlicher Aspekte des Landlebens erkennen. Sie wurden zwar auch nicht geschaffen, um über das Alltagsleben Auskunft zu geben, Kleidung, Werkzeuge und auch Tätigkeiten lassen sich aber aus den Bildern herauslesen. Trotzdem ist es schwierig, aus Schrift- und Bildquellen Informationen zum Leben im Dorf herauszuziehen. Es gibt jedoch weitere Möglichkeiten, mehr zu erfahren: Mit Hilfe archäologischer Methodik.
An der archäologischen Erforschung des mittelalterlichen Dorfes sind unterschiedliche Akteure beteiligt. Neben Universitäten sind das vor allem die Landesämter für Denkmalpflege, die großflächige Ausgrabungen selbst vornehmen oder im Rahmen des Denkmalschutzes organisieren.
Die Dorfwüstung Diepensee spielte im erstgenannten Forcshungsprojekt eine zentrale Rolle. Dazu ist bereits eine Dissertation im Druck erschienen, eine weitere befindet sich in der Druckvorbereitung (s.u.). Das mittelalterliche Dorf konnte nahezu komplett ausgegraben werden. Eine besondere Bedeutung erhält es durch die Bergung des gesamten Dorffriedhofs mit etwa 400 Gräbern, die von der Dorfgründung um 1200 bis zur Auflassung im 14. Jahrhundert angleget worden waren. Durch naturwissenschaftliche Untersuchungen konnte die Herkunft der Erstsiedler aus Flamen nachgewiesen werden.
In der Podcast-Folge unterhalten sich die Mittelalterarchäologen Dr. Christof Krauskopf und Dr. Joachim Wacker mit dem brandenburgischen Landesarchäologen Prof. Dr. Franz Schopper über die archäologische Dorfforschung in Brandenburg.
Gespräch: Dr. Christof Krauskopf, Prof. Dr. Franz Schopper, Dr. Joachim Wacker (in order of appearance) Zitate: Daniela Moos
Erwähnte Publikationen:
Blandine Wittkopp: Die archäologischen Befunde der mittelalterlichen Wüstung Diepensee (in Druckvorbereitung für FALB)
Mosaike, Wandbilder, Skulpturen, Brunnen, Platzanlagen – das alles kann baubezogene Kunst sein. Sie gehörte in der ehemaligen DDR zu jedem Bauvorhaben, insbesondere bei Kultur- und Wissenschaftsbauten und öffentlichen Einrichtungen. Im sozialistischen Städtebau war die Kunst integraler Bestandteil bei der Gestaltung öffentlicher Räume.
In der ehemaligen DDR gibt es daher auch noch einiges davon zu entdecken. Der Bestand ist jedoch bisher kaum wissenschaftlich erfasst und aufgearbeitet. Durch anstehende Sanierungen, Abrisse und Umbau der Städte ist vieles bedroht. Einiges ist auch schon verloren.
Seit über zwei Jahren laufen am Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseum (BLDAM) Projekte, die baubezogene Kunst in der DDR systematisch und flächendeckend in einzelnen Städten erfassen. 2021 machte ein Pilotprojekt in Schwedt(Oder) den Anfang. Bis Ende 2022 wurde die baubezogene Kunst in Frankfurt(Oder) und Cottbus erfasst – finanziert von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Ebenfalls in 2022 erfasst wurde die baubezogene Kunst in Eisenhüttenstadt. Im laufenden Jahr 2023 geht es in der Landeshauptstadt Potsdam weiter.
Wie kam es zu der Auswahl dieser Städte? Was macht sie lohnenswert für eine solche Erfassung? Wonach genau wird dabei geschaut? Und was können uns die Kunstwerke heute über die Geschichte der DDR erzählen?
Darüber unterhält sich Julia Gerber, Pressesprecherin am BLDAM, mit Dr. Christine Onnen, Dezernatsleiterin der Inventarisation und Dokumentation am BLDAM, in dieser Folge der DENKMALZEIT.
Auf dem Weinberg bei Groß Fredenwalde in der Uckermark liegt einer der bedeutendsten Fundplätze Deutschlands. Der kalkhaltige Boden ermöglicht hier die Erhaltung von menschlichen Knochen aus der mittleren Steinzeit, die bis zu 6400 Jahre alt sind. In der Podcast-Folge spricht der Pressesorecher des BLDAM, Dr. Christof Krauskopf, mit dem Fachreferenten für alt- und mittelsteinzeitliche Archäologie, Andreas Kotula.
Die ersten Gräber auf dem Weinberg waren im Jahr 1962 bei Bauarbeiten 1962 zutage gekommen. In den 1990er Jahren konnte dieser Befund in das 7. Jahrtausend calBC datiert werden, und seit dem Jahr 2012 ist es gelungen, weitere Beigaben und Menschenreste aus der alten Grabungsfläche zu bergen. Bisher liegen die Überreste von zwölf Individuen aus mindestens acht Bestattungen vor.
Neben einer Kleinkindbestattung konnte das Grab eines etwa 25jährigen Mannes freigelegt werden. Dessen Grabgrube war in eine weitere Kinderbestattung eingetieft worden und hatte diese weitgehend gestört. Der Mann war vermutlich in aufrechter Position beigesetzt und sein Grab erst nach dem Zerfall des Leichnams endgültig verschlossen worden. Über dem Grab wurde abschließend ein Feuer entzündet. Die Datierung der Gräber reicht von ca. 6.400 bis 4.900 calBC mit einer zeitlichen Lücke im 6. Jahrtausend. Damit liegen Bestattungen aus der Zeit vor und nach der Etablierung der ersten Bauern in der Uckermark vor – die Person in der jüngsten Bestattung war also mit großer Sicherheit in Kontakt mit frühen Bauern gewesen. Die Skelettreste bieten sehr gute Voraussetzungen für naturwissenschaftliche Untersuchungen. Im Rahmen des Projektes sollen die vorliegenden Funde detailliert ausgewertet werden, um die Lebensverhältnisse der späten Jäger-Sammler vor und nach dem Beginn der Linienbandkeramik in Nordostdeutschland zu rekonstruieren. Der Fundplatz Groß Fredenwalde wird damit einen herausragenden Beitrag zur Erforschung der Phase der Neolithisierung in Mitteleuropa leisten.
Die Arbeiten auf dem Weinberg in Groß Fredenwalde finden im Rahmen eines groß angelegten Forschungsprojektes statt, das der Frage nach dem Übergang von der Mittelsteinzeit mit ihren Jäger-Sammler-Kulturen zur Jungsteinzeit mit Ackerbau und Viehzucht nachgeht. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt findet als Kooperationsprojekt der Universität Kiel (Prof. Dr. Henny Piezonka), der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (Prof. Dr. Thomas Schenk), dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege (Prof. Dr. Thomas Terberger), der Anthropologin Dr. Bettina Jungklaus und dem BLDAM (Prof. Dr. Franz Schopper, Andreas Kotula) statt.