Birkenwerder, Bahnhofsgebäude. Richard Brademann, 1923-24. Foto: V. Taubert, BLDAM
Vermutlich jede*r, der ab und zu in Berlin und Umgebung S-Bahn fährt, kennt seine Bauten, aber kaum jemand seinen Namen: Richard Brademann (1884 – 1965), Architekt und ab 1920 Oberbaurat der Deutschen Reichsbahn. Er prägte die Berlin-Brandenburger Region in den 1920er und 1930er Jahren mit zahlreichen S-Bahn-Bauten, sowohl Bahnhofsgebäuden als auch Bauten für technische Anlagen, wie Gleichrichterwerke und Stellwerke. In Berlin baute er u.a. die Bahnhofsgebäude in Wannsee und Bornholmer Straße oder das Gleichrichterwerk Friedrichstraße.
Hennigsdorf, Gleichrichterwerk. Richard Brademann, 1925-26. Foto: M. Mamerow, BLDAM
In Brandenburg wurden erst kürzlich zwei Werke von Richard Brademann in die Landesdenkmalliste aufgenommen. Der Bahnhof Birkenwerder (1923-24), der aktuell denkmalgerecht saniert wird, steht für die frühe Elektrifizierung der Berliner Nordbahn zwischen Berlin und Oranienburg, die dem enormen Bevölkerungszuwachs und der Eingemeindung der Berliner Vororte nach 1920 folgte. Beim Gleichrichterwerk Griebnitzsee, bzw. Neubabelsberg in Potsdam (1927/28), das ebenfalls im Kontext der Elektrifizierung der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen entstand, ist zudem auch eine gestalterische Entwicklung Brademanns abzulesen, dessen spätere Bauten typischerweise aus dunkel gebrannten Backstein in sachlicher Formensprache erbaut wurden.
Bernau bei Berlin, Reparaturhalle. Richard Brademann, 1924. Foto: M. Cante, BLDAM
Im Gespräch mit Dr. Viviane Taubert, Referentin für Technik- und Industriedenkmalpflege am BLDAM, erfahren wir mehr über das Schaffen Richard Brademanns, seine architektonische Handschrift und die technischen und infrastrukturellen Entwicklungen der 1920er Jahre, aber auch über Brademanns unrühmliche Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus.
Animation aus dem Film „Der geistliche Alltag im Kloster Chorin“ in der Dauerausstellung im Kloster. Film: buchstabenschubser / Eigenbetrieb des Klosters Chorin
Das Kloster Chorin feiert in den Jahren 2022 und 2023 das 750. Jubiläum seiner Gründung. Nach der Säkularisation im 16. Jahrhundert diente es u.a. als Domäne und landwirtschaftlicher Betrieb – man hielt Pferde in der Kirche und züchtete in den Klostergebäuden Schweine.
Der preußische Architekt und Leiter der Oberbaudeputation des Staates Preußen, Karl Friedrich Schinkel (1782-1841), entdeckte das Kloster als besonderes Bauwerk und forderte seine Erhaltung. Letztendlich war er damit erfolgreich, erste Sanierungsarbeiten wurden vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. finanziert. Die Beschäftigung mit dem Kloster Chorin kann als Initialzündung für die preußische Denkmalpflege gelten.
Die Klosteranlage von Norden. Östlich des Chors sind die Grabungsschnitte mit Resten des großen Burgturms zu erkennen. Foto: K. Schmahlfeldt, BLDAM, 2018
Heute wird das Kloster als Museum seiner selbst genutzt. Eine umfangreiche Dauerausstellung informiert über die Gründungsgeschichte, das spirituelle Leben der Mönche und die Bedeutung des Klosters für die Denkmalpflege seit Schinkels Wirken.
Chorin ist aber kein lebloser Ort. Neben den vielen interessierten Besuchern, die dort neben einem beeindruckenden Ort und historischen Informationen auch ein Café und ein nahegelegenes Restaurant genießen können, wird das Kloster von Heiratswilligen aufgesucht. In der ehemaligen Sakristei befindet sich heute das Standesamt, wo sich Menschen unter einem wunderbaren mittelalterlichen Gewölbe trauen lassen können. Die Kapelle ist der Ort für kirchliche Trauungen sowie Andachten, Gottesdienste und Kammerkonzerte. In der Klosterkirche finden ebenfalls Konzerte statt.
Seit den 1990er wurde das gesamte Kloster saniert und gesichert, um es für künftige Generationen erhalten, die Klostergebäude erlebbar machen und die Ausstellungen einbauen zu können. Parallel forschten Historiker*innen zum Kloster, hier ist besonders der Chorin-Verein zu nennen.
Die Sanierungsarbeiten waren immer von archäologischen Untersuchungen begleitet, die zu den verschiedensten Phasen und Aspekten der Klostergeschichte wichtige Beiträge lieferten. So konnte eine in diesem Umfang nicht erwartete Vorgängerbebauung nachgewiesen werden: Unter dem Kloster liegen die Reste eines Dorfes, einer Dorfkirche und einer Burg. Die außerhalb liegende Klostermühle wurde untersucht, genau wie die Mühlgräben, in der Klosterkirche stieß man auf die bereits im 19. Jahrhundert nachgewiesenen Grablegen der askanischen Markgrafen. Viele weitere archäologische Befunde aus allen Bereichen des Klosters runden unsere Kenntnis der Klostergeschichte ab.
Fundstück aus der Ausbruchsgrube des großen Burgturms östlich der der Klosterkirche. Filmstill aus dem Jahresfilm der brandenburgischen Landesarchäologie 2021. Regie: Thomas Claus
Zuletzt konnte 2018 bei Wegebauarbeiten östliche der Klosterkirche ein ganz besonderes Bauwerk nachgewiesen werden. Zur Burg gehörte offenbar ein riesiger Rundturm von etwa 18m Durchmesser. Allerdings hatten die Mönche den Bau zur Errichtung der Klosterkirche bis auf wenige Reste abgetragen, es blieb eine große, runde Ausbruchsgrube. Mittlerweile gab es weitere archäologische und geophysikalische Untersuchungen am Platz des ehemaligen Turms. Eine weitere Ausgrabung ist geplant.
Mit seinen Dimensionen entspricht der Turm dem Durchmesser des Burgturms von Stolpe, einem der größten Burgtürme Norddeutschlands. Er gehört zu einer Gruppe von Bauwerken, die in ganz Europa vom Hochadel errichtet wurde, von Irland bis Polen und Frankreich bis Dänemark. Chorin hat damit mit dem Kloster nicht nur ein Denkmal von mindestens nationaler Bedeutung, sondern birgt auch die Reste einer vor der Klostergründung sehr bedeutenden Burganlage der askanischen Markgrafen von Brandenburg.
Verbreitung von Burgtürmen mit 15m Durchmesser und mehr in Europa. Der neu entdeckte Turm unter dem Kloster Chorin liegt auf der Karte direkt neben dem Stolper Turm. Karte: C. Krauskopf
Über alle diese Themen unterhalten sich in der Podcast-Folge Dr. Franziska Siedler, die Leiterin des Eigenbetriebs Kloster Chorin, Blandine Wittkopp, die seit etwa 25 Jahren alle Sanierungsarbeiten in Chorin archäologische begleitet und Dr. Christof Krauskopf.
Blick in die Dorfwüstung Hohenrode im Harz. Foto: C. Krauskopf
Die Erforschung mittelalterlicher Dörfer ist ganz besonders hinsichtlich der Realien eine Herausforderung. Die Schriftquellen schweigen sich nicht komplett über die Verhältnisse im Dorf aus. Allerdings muss immer bedacht werden, dass die Schriftkundigen in der Regel nicht aus dem Kreis der Dorfbewohner*innen kamen, sondern Kleriker, seltener Adlige waren. Und diese schilderten die Landbevölkerung häufig nicht positiv, die Texte zeichnen aber auch nicht unbedingt realistische Bilder. „Gott hat drei Lebensweisen geschaffen: Bauern, Adelige und Pfaffen.“ So beschreibt der Spruchdichter Freidank im 13. Jahrhundert die Ständeaufteilung. Eine französische Buchminiatur aus dem 13. Jahrhundert, die heute in der British Library in London aufbewahrt wird, zeigt den Platz des Bauern deutlich: Der Kleriker ganz links im Bild und der zentral stehende Adlige mit Schild, Kettenpanzer, Waffenrock und Topfhelm scheinen einander zugewandt in ein Gespräch vertieft zu sein. Sie stehen gleichberechtigt, während der Bauer, kenntlich an seinem braunen Gewand und dem eisenbeschlagenen Spaten am rechten Rand hinter den beiden steht und den beiden zusieht. Seine Positionierung hinterlässt den Eindruck, dass er nicht so recht dazugehört.
Spott über den Bauern war bei den Eliten dementsprechend weit verbreitet.
Herr Neidhart von Reuental wird von Bauern bedrängt. Codex Manesse, Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, fol. 273r
„Sah man je einen Bauern so fröhlich-toll wie diesen Kerl da? Weiß Gott! An der Spitze muß er stets bei meinem Reigen sein. Einen Gürtel wie zwei Hände breit hat sein Schwert. Eingebildet ist er mächtig auf die neue Joppe. Aus vierundzwanzig kleinen Stücken besteht sie. Die Ärmel reichen bis auf die Hand. Ein Stück wie dieses kann man nur an solchem Hanswurst finden.“
Das mit dem Titel „Das guldin hun“, also das goldene Huhn, überschriebene Lied des Dichters Neidhart von Reuental findet sich in der Riedschen Handschrift, die um 1400 in Nürnberg entstanden ist. Heute wird sie in der Staatsbibliothek zu Berlin aufbewahrt, sie ist komplett digitalisiert und kann im Internet angeschaut werden.
Neidhart charakterisiert die Bauern als anmaßend, sie kleiden und bewaffnen sich so, wie es ihnen nicht geziemt. Eine realistische Schilderung des Alltagslebens hatten die Autoren dieser Texte jedoch nicht im Sinn.
Mittelalterliche Bildquellen lassen da etwas deutlicher Aspekte des Landlebens erkennen. Sie wurden zwar auch nicht geschaffen, um über das Alltagsleben Auskunft zu geben, Kleidung, Werkzeuge und auch Tätigkeiten lassen sich aber aus den Bildern herauslesen. Trotzdem ist es schwierig, aus Schrift- und Bildquellen Informationen zum Leben im Dorf herauszuziehen. Es gibt jedoch weitere Möglichkeiten, mehr zu erfahren: Mit Hilfe archäologischer Methodik.
Rekonstruktion des Angerdorfes Horno in der Niederlausitz (Brandenburg) im Mittelalter. Zeichnung: B. Fischer
An der archäologischen Erforschung des mittelalterlichen Dorfes sind unterschiedliche Akteure beteiligt. Neben Universitäten sind das vor allem die Landesämter für Denkmalpflege, die großflächige Ausgrabungen selbst vornehmen oder im Rahmen des Denkmalschutzes organisieren.
Luftbild des bereits weitgehend ausgegrabenen Dorfes Wolkenberg kurz vor der Abbaggerung. Foto: G. Wetzel, BLDAM
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Bestattung in Kopfnischengrab. Diepensee (Brandenburg). Foto: A. Marx, BLDAM
Die Dorfwüstung Diepensee spielte im erstgenannten Forcshungsprojekt eine zentrale Rolle. Dazu ist bereits eine Dissertation im Druck erschienen, eine weitere befindet sich in der Druckvorbereitung (s.u.). Das mittelalterliche Dorf konnte nahezu komplett ausgegraben werden. Eine besondere Bedeutung erhält es durch die Bergung des gesamten Dorffriedhofs mit etwa 400 Gräbern, die von der Dorfgründung um 1200 bis zur Auflassung im 14. Jahrhundert angleget worden waren. Durch naturwissenschaftliche Untersuchungen konnte die Herkunft der Erstsiedler aus Flamen nachgewiesen werden.
Keramikgefäß, in einem Keller der Wüstung Diepensee zurückgelassen. Foto: Marx/J. Stark, BLDAM
In der Podcast-Folge unterhalten sich die Mittelalterarchäologen Dr. Christof Krauskopf und Dr. Joachim Wacker mit dem brandenburgischen Landesarchäologen Prof. Dr. Franz Schopper über die archäologische Dorfforschung in Brandenburg.
Gespräch: Dr. Christof Krauskopf, Prof. Dr. Franz Schopper, Dr. Joachim Wacker (in order of appearance) Zitate: Daniela Moos
Erwähnte Publikationen:
Blandine Wittkopp: Die archäologischen Befunde der mittelalterlichen Wüstung Diepensee (in Druckvorbereitung für FALB)
Mosaike, Wandbilder, Skulpturen, Brunnen, Platzanlagen – das alles kann baubezogene Kunst sein. Sie gehörte in der ehemaligen DDR zu jedem Bauvorhaben, insbesondere bei Kultur- und Wissenschaftsbauten und öffentlichen Einrichtungen. Im sozialistischen Städtebau war die Kunst integraler Bestandteil bei der Gestaltung öffentlicher Räume.
In der ehemaligen DDR gibt es daher auch noch einiges davon zu entdecken. Der Bestand ist jedoch bisher kaum wissenschaftlich erfasst und aufgearbeitet. Durch anstehende Sanierungen, Abrisse und Umbau der Städte ist vieles bedroht. Einiges ist auch schon verloren.
Cottbus, Wandbild „Bauarbeiter“, Walter Heinrich, 1977. Foto: Dirk Schermer, BLDAM
Seit über zwei Jahren laufen am Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseum (BLDAM) Projekte, die baubezogene Kunst in der DDR systematisch und flächendeckend in einzelnen Städten erfassen. 2021 machte ein Pilotprojekt in Schwedt(Oder) den Anfang. Bis Ende 2022 wurde die baubezogene Kunst in Frankfurt(Oder) und Cottbus erfasst – finanziert von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Ebenfalls in 2022 erfasst wurde die baubezogene Kunst in Eisenhüttenstadt. Im laufenden Jahr 2023 geht es in der Landeshauptstadt Potsdam weiter.
Cottbus, Wandbild „Bauarbeiter“, Walter Heinrich, 1977. Foto: Dirk Schermer, BLDAM
Wie kam es zu der Auswahl dieser Städte? Was macht sie lohnenswert für eine solche Erfassung? Wonach genau wird dabei geschaut? Und was können uns die Kunstwerke heute über die Geschichte der DDR erzählen?
Darüber unterhält sich Julia Gerber, Pressesprecherin am BLDAM, mit Dr. Christine Onnen, Dezernatsleiterin der Inventarisation und Dokumentation am BLDAM, in dieser Folge der DENKMALZEIT.
Cottbus, Sockelrelief „Geschichte der Arbeiterbewegung im Bezirk Cottbus“, Rudolf Sitte, 1969. Foto: Dirk Schermer, BLDAM
Denkmal des Jan Žižka in Tabor, Tschechien. Foto: C. Krauskopf
Denkmal Hochmeisterpalast der Marienburg, Malbork, Polen. Foto: C. Krauskopf
Eine Lieblingsbeschäftigung in der Wissenschaft sind Überlegungen zur Terminologie, also zu bestimmten Begriffen, die eine fachspezifische Benennung von Prozessen oder Erscheinungen ermöglichen sollen. Letztendlich dienen diese Fachbegriffe der vereinfachten Kommunikation innerhalb der Wissenschaft.
Über manche wird gestritten. Waren mittelalterliche Turmhügel deutsch? Können Scherben slawisch sein? Und wie ist es mit dem Denkmal, wenn es in der Mehrzahl auftritt? Denkmale oder Denkmäler? Ein besonders beliebter Begriff in Denkmalpflege und Archäologie ist der der Restauration – geht es dabei um die Wiederherstellung von Gegenständen oder eher um den Gang in die Gastwirtschaft?
Die neue Folge der DENKMALZEIT geht Meinungsverschiedenheiten um und Bedeutungen von Begriffen nach, die in den einschlägigen Fachdisziplinen und in der Öffentlichkeit Verwendung finden.
Text: Christof Krauskopf Sprecher: Christof Krauskopf, Thomas Drachenberg
Zitate: Axel Föhl, Bauten der Industrie und Technik in Nordrhein-Westfalen, (Hrsg. Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur), Berlin 2000, S. 29 Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, Lemma „Wi(e)derherstellung“ <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB>, abgerufen am 11.05.2023 Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache, Lemma „Restauration„, abgerufen am 11.5.2023
Ausgrabungsarbeiten auf dem Weinberg bei Groß Fredenwalde in der Uckermark. Foto: T. Schenk, HTW Berlin
Auf dem Weinberg bei Groß Fredenwalde in der Uckermark liegt einer der bedeutendsten Fundplätze Deutschlands. Der kalkhaltige Boden ermöglicht hier die Erhaltung von menschlichen Knochen aus der mittleren Steinzeit, die bis zu 6400 Jahre alt sind. In der Podcast-Folge spricht der Pressesorecher des BLDAM, Dr. Christof Krauskopf, mit dem Fachreferenten für alt- und mittelsteinzeitliche Archäologie, Andreas Kotula.
Die Holzkiste mit einem im Block geborgenen Grab wird abtransportiert. Foto: D. Fugger
Die ersten Gräber auf dem Weinberg waren im Jahr 1962 bei Bauarbeiten 1962 zutage gekommen. In den 1990er Jahren konnte dieser Befund in das 7. Jahrtausend calBC datiert werden, und seit dem Jahr 2012 ist es gelungen, weitere Beigaben und Menschenreste aus der alten Grabungsfläche zu bergen. Bisher liegen die Überreste von zwölf Individuen aus mindestens acht Bestattungen vor.
Bestattung in einem geborgenen Block nach der Freilegung in der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Foto: Alexander Rentsch
Neben einer Kleinkindbestattung konnte das Grab eines etwa 25jährigen Mannes freigelegt werden. Dessen Grabgrube war in eine weitere Kinderbestattung eingetieft worden und hatte diese weitgehend gestört. Der Mann war vermutlich in aufrechter Position beigesetzt und sein Grab erst nach dem Zerfall des Leichnams endgültig verschlossen worden. Über dem Grab wurde abschließend ein Feuer entzündet. Die Datierung der Gräber reicht von ca. 6.400 bis 4.900 calBC mit einer zeitlichen Lücke im 6. Jahrtausend. Damit liegen Bestattungen aus der Zeit vor und nach der Etablierung der ersten Bauern in der Uckermark vor – die Person in der jüngsten Bestattung war also mit großer Sicherheit in Kontakt mit frühen Bauern gewesen. Die Skelettreste bieten sehr gute Voraussetzungen für naturwissenschaftliche Untersuchungen. Im Rahmen des Projektes sollen die vorliegenden Funde detailliert ausgewertet werden, um die Lebensverhältnisse der späten Jäger-Sammler vor und nach dem Beginn der Linienbandkeramik in Nordostdeutschland zu rekonstruieren. Der Fundplatz Groß Fredenwalde wird damit einen herausragenden Beitrag zur Erforschung der Phase der Neolithisierung in Mitteleuropa leisten.
Die Arbeiten auf dem Weinberg in Groß Fredenwalde finden im Rahmen eines groß angelegten Forschungsprojektes statt, das der Frage nach dem Übergang von der Mittelsteinzeit mit ihren Jäger-Sammler-Kulturen zur Jungsteinzeit mit Ackerbau und Viehzucht nachgeht. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt findet als Kooperationsprojekt der Universität Kiel (Prof. Dr. Henny Piezonka), der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (Prof. Dr. Thomas Schenk), dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege (Prof. Dr. Thomas Terberger), der Anthropologin Dr. Bettina Jungklaus und dem BLDAM (Prof. Dr. Franz Schopper, Andreas Kotula) statt.
Die DENKMALZEIT hat dieses Mal das heimische Studio verlassen. Im Rathaus von Angermünde in der Uckermark spricht der brandenburgische Landeskonservator, Prof. Dr. Thomas Drachenberg, mit dem Bürgermeister Frederik Bewer.
Der Marktplatz von Angermünde. Foto: T. Drachenberg, BLDAM
Angermünde ist eine „Stadt mit historischem Stadtkern“ und gehört demgemäß mit 30 anderen Städten zu der gleichnamigen Arbeitsgemeinschaft brandenburgischer Städte. Sie hat sehr vom Förderprogramm des brandenburgischen Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung profitiert, das 30 Jahre lang die Sanierung des städtischen Raums gefördert hat.
In Angermünde kann man das sehen: Bis auf wenige Ausnahmen ist die historische Altstadt saniert. Vor wenigen Jahren wurde ein zentral am Marktplatz gelegenes Gebäude, das Haus Uckermark, saniert und dort konnte das städtische Museum einziehen – nach Frederik Bewers Ansicht die Visitenkarte der Stadt.
Blick aus dem Angermünder Museum auf die Stadtkirche St. Marien. Foto: T. Drachenberg BLDAM
Aber nicht nur um das Museum dreht sich das Gespräch, auch um die derzeit aus baulichen Gründen gesperrte Franziskanerklosterkirche und um eines der letzten größeren unsanierten Gebäude in der Brüderstraße, das nun von der Stadt in Eigenregie saniert und entwickelt werden soll. Wichtig ist Bewer auch die zentrale Funktion des Marktplatzes als Begegnungsort von Menschen.
In der Franziskanerklosterkirche. Foto: T. Drachenberg, BLDAM
Frederik Bewer ist nicht nur Bürgermeister, er ist auch stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Städte mit historischen Stadtkernen. Er folgt damit nach 30 Jahren dem Gründungsvorsitzenden Wolf-Hugo Just, der ebenfalls Bügermeister von Angermünde war. Um die Städte kennenzulernen besuchte Bewer alle 30 im Land Brandenburg – mit dem Fahrrad. Die sechstägige Reise über 1200 km ist ein weiteres Thema. Fragen zur Nachhaltigkeit, zu erneuerbaren Energien und ein Blick in die Zukunft runden das Gespräch ab.
Ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger:innen und Interessent:innen bei der Absuche eines Areals bei Wiesenburg. Foto: L. Goldmann, BLDAM
Am 01. Juli 2022 konnte das BLDAM ein neues Referat einrichten. „Ehrenamt – Forschung – Aufarbeitung“ (EFA). Zwei neu eingestellte Kollegen, Jens Greif als Referatsleiter und Lukas Goldmann als Mitarbeiter, bauen das neue Referat auf.
Im Referat EFA werden bestimmte Aufgaben, die bisher von Kolleg:innen des Referats Praktische Archäologie übernommen worden waren, gebündelt. Das E steht für den zentralen Ansprechpartner für die im Land tätigen, durch das BLDAM geschulten und berufenen ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger:innen. Lukas Goldmann ist mit dieser Aufgabe betraut. Das F steht für Nachforschungen (Geomagnetik, Forschungsgrabungen etc.), die nicht im Rahmen der üblichen Beteiligungsverfahren im Zuge von Baumaßnahmen stattfinden. Das A betrifft unter anderem die Vorgänge, die mit der Eingliederung des Referats Braunkohlenarchäologie in das Referat Großvorhaben zu tun haben.
Das Referat EFA kann nun einige Ideen verwirklichen, die bisher an der dünnen Personaldecke des BLDAM gescheitert waren. Die Arbeit der ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger:innen soll durch die Einrichtung einer neuen Seite im Webauftritt des BLDAM besser sichtbar werden. Das BLDAM unterhält verschiedene Informationskanäle, wie etwa diesen Podcast, aber auch die Websites des Landesamts für Denkmalpflege und des Archäologischen Landesmuseums, eine Seite, auf der alle Jahresfilme seit 2006 zu sehen sind, einen Youtube-Kanal und natürlich die übliche Informationsverbreitung per E-Mail. In der Zeitschrift Archäologie in Deutschland werden regelmäßig in der Rubrik Aktuelles aus der Landesarchäologie neue Funde aus Brandenburg publiziert. Unser Jahrbuch „Archäologie in Berlin und Brandenburg“ stellt im Jahresrythmus die wichtigsten Ausgrabungen und Forschungen vor. Das neue Schaufenster Landesarchäologie soll nun aktuelle Funde und Befunde, aber auch andere Neuigkeiten aus der Brandenburgischen Landesarchäologie in bebilderter, kurzer Form präsentieren.
Auch bei den Kursen für die Ehrenamtlichen ändern sich die Voraussetzungen mit der Übernahme der Organisation durch EFA. Die besonderen Herausforderungen nach dem coronabedingten Ausfall der Kurse – es ist ein großer „Rückstau“ entstanden – können nun besser bewältigt werden. Als Neuentwicklung wird demnächst eine App zur Erfassung von Funden und zur Abgabe von Fundmeldungen eingeführt, die einerseits die Arbeit der ehrenamtlichen Finder:innen, andererseits aber auch die Archivierung in unserem Haus erleichtern wird.
EFA wird nun bei den Forschungsprojekten eine führende Rolle in der Organisation übernehmen. Derzeit sind mehrere Projekte anhängig, wie etwa das DFG-geförderte Kooperationsprojekt mit der Universität Göttingen zur Erforschung der Siedlungskammer im Umfeld des spätbronzezeitlichen „Königsgrabes“ von Seddin in der Prignitz, die Kooperation mit der HTW Berlin zur geomagnetischen Untersuchung eines urgeschichtlichen Siedlungsplatzes bei Hönow oder der Kooperation mit dem Landesamt für Archäologie Sachsen zur Anfertigung hochauflösender 3D-Scans eines kleineren Fundinventars, das im vergangenen Sommer geborgen worden ist.
Dazu und zu weiteren Themen unterhalten sich in dieser Folge der Pressesprecher des BLDAM, Dr. Christof Krauskopf, mit Referatsleiter Jens Greif und dem Referenten für Ehrenamt Lukas Goldmann.
Bernau, Brandenburg. Wohnblock in Ecklage zwischen Brüder- und Parkstraße von Wilfried Stallknecht und Kollektiv, 1979-89. Foto: A. Jeserigk, BLDAM
Die Erfassung junger Denkmale zählt zu den wichtigen aktuellen Aufgaben der Landesdenkmalämter. 2020 lenkte die Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern (VDL) durch Ihr Projekt „wohnen 60 70 80. Junge Denkmale in Deutschland“ die Aufmerksamkeit auf die in Deutschland als Denkmale erfassten Wohngebäude und Siedlungen der Nachkriegs- und Postmoderne.
Auf einer breiten Materialbasis hatte die Arbeitsgruppe Inventarisation zahlreiche eindrucksvolle Gebäude der 1960er, 1970er und 1980er Jahre, darunter Einfamilienhäuser, Siedlungen, Hochhäuser und Experimentalbauten neu in die Forschungsdiskussion eingebracht.
Die in der Wanderausstellung samt Infozeitung und einem Buch vorgestellten Gebäude erzählen anschaulich die Geschichte des Bauens und Wohnens in der jungen Bundesrepublik und der DDR.
Angesichts der aktuellen Umbauwelle rückt das Projekt eine Architekturepoche in den Fokus, deren Denkmalqualität noch nicht selbstverständlich akzeptiert ist.
Mit drei Leseinseln für die Besucher, die mit zeittypischem Mobiliar des jeweiligen Jahrzehnts ausgestattet sind, wird das Feeling für die 1960er, 1970er und 1980er Jahre live transportiert.
Zwei Filme veranschaulichen den Inhalt. An den Leseinseln liegt eine kostenlose Infozeitung zum Mitnehmen aus, die sich mit leicht verständlichen Texten und mit zahlreichen Fotos an Leser*innen jenseits des Expertentums wendet.
AUSSTELLUNG VERLÄNGERT!
Bis zum 16.4.2023 ist die Ausstellung noch im Archäologischen Landesmuseum Brandenburg zu sehen. Im Lauf des Jahres wandert sie an verschiedene Orte, geplant sind Saarbrücken, Bonn, Weimar und Hannover geplant.
Über die Ausstellung sowie die Herausforderungen im Umgang mit jungen Denkmalen sprechen in der Podcastfolge Dr. Christine Onnen, Dezernatsleiterin Inventarisation und Dokumentation und Dr. Christof Krauskopf, Pressesprecher des BLDAM.
Der Mensch und seine Umwelt stehen seit jeher in einer untrennbaren Verbindung. Er ist durch sie gefordert und gefährdet, gleichzeitig bietet sie ihm aber den Raum zum Leben. Mit Geschick und Intelligenz lernte der Mensch die Möglichkeiten seine Umwelt immer mehr zu nutzen. Die heutige Übernutzung der Natur bis hin zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen hat das Alte Testament mit der Formel „Macht Euch die Erde untertan …“ (Genesis 1,28) wohl nicht gemeint. Explizit war aber die Nutzung von tierischen Ressourcen im Blick. Der im nächsten Satz auch um die pflanzlichen Ressourcen geweitet wird: „Sehet da, ich habe Euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, zu Eurer Speise“. Um ihre Eigenschaften im Sinne des Menschen optimal nutzen zu können, wurden Pflanzen und Tiere einem Selektions- und Zuchtprozess unterzogen.
Lein ist eine wahre Wunderpflanze, denn nicht nur ihre Fasern lassen sich mannigfaltig einsetzen. Auch ihre ölhaltigen Samen sind seit jeher hochgeschätzt und fanden bereits in der Jungsteinzeit nachweislich Verwendung. Leinöl kam nicht nur zum Anreichern von Speisen oder zur Haltbarmachung von Lebensmitteln sondern auch in der Heilkunst zum Einsatz. Wie vielseitig verwendbar Leinöl ist, beweist das Linoleum, ein im 19. Jahrhundert entwickelter Belag, dessen wichtigster Grundstoff es ist. Ohne Leinöl gäbe es keine quietschenden Bodenbeläge unter unseren Füßen, keine farbenfrohen Linolschnittarbeiten im Kunstunterricht und auch die Pellkartoffeln mit Quark würden ohne es nur halb so gut schmecken. Die Sonderausstellung mit dem Titel „Lein oder nicht Lein“ widmet sich dieser Nutzpflanze in allen ihren Facetten.
Das Archäologische Landesmuseum Brandenburg präsentiert aber auch in der Dauerausstellung mit einem 10.000 Jahre alten Birkenrindegefäß, das mit Bast vernäht ist und dem wohl ältesten Netz der Menschheit besondere Artefakte.
In der Podcastfolge unterhalten sich Prof. Dr. Franz Schopper, der Direktor und Dr. Christof Krauskopf, der Pressesprecher des BLDAM über organische Funde aus Bast, Rinde und Lein.
Die Ausstellung „Lein oder nicht Lein“ ist noch bis zum 15.1.2023 im Archäologischen Landesmuseum Brandenburg zu sehen. Bitte beachten Sie zu weiteren Informationen und den Sonderführungen am 27.12.2022 und 7.1 2023 die Website des Museums.