049 Bernau bei Berlin: Die Stadt, die Kirche und die SED-Siedlung

Die Bernauer Marienkirche zwischen der Neubebauung der 1980er Jahre. Foto: C. Krauskopf

Die Stadt, nördlich von Berlin im Landkreises Barnim gelegen, kann nicht nur mit ihrer schnellen Anbindung an die Hauptstadt glänzen, sondern vor allem mit ihren spannenden Denkmalen vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Der 1230 gegründete Ort hat es zu DDR-Zeiten geschafft, die mittelalterliche Stadt- und Straßenstruktur zu erhalten. Die wichtigsten historischen Gebäude blieben erhalten, ein großer Teil der Altstadtbebauung wurde jedoch durch Plattenbauten ersetzt. Das größte und vornehmste Denkmal ist die 1519 geweihte St. Marienkirche. Sie ist eine der größten und bedeutendsten Stadtpfarrkirchen der Mark Brandenburg und besitzt eine reiche Ausstattung von vor- und nachreformatorischer Zeit.

Bernau, Brandenburg. Wohnblock in Ecklage zwischen
Brüder- und Parkstraße von Wilfried Stallknecht und Kollektiv, 1979-89.
Foto: A. Jeserigk, BLDAM

Die Bernauer Denkmale erstrecken sich aber nicht nur über die Kernstadt, sondern auch über die angrenzende Kommune hinaus. So findet man im Norden ein ganz besonderes Denkmal, die ADGB-Schule, die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes. Das Bauwerk zählt seit 2017 zum Bauhaus-UNESCO-Weltkulturerbe und wurde 1930 von den Architekten Hannes Meyer und Hans Wittwer und Studierenden des Bauhauses entworfen. In den 1950er Jahren baute der Architekt Georg Waterstradt, welcher vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) der DDR beauftragt war, das Gebäude um. Das Gebäude vereinigt in sich zwei wichtige Zeitepochen: Die 1930er- und die 1950er Jahre, welche beide ihre architektonischen Qualitäten besaßen. Anfang der 2000er Jahre wurde die ehemalige Bundesschule umfangreich saniert und rekonstruiert sowie im Jahr 2022 ein modernes Besucherzentrum eingeweiht.

In der ADGB-Schule in Bernau. Foto: A. Niemann, BLDAM

Ein weiteres herausragendes Denkmal für diese Region ist die Waldsiedlung. Ab 1958 erbaut als Schutzraum für das Politbüro der SED, die sich nach dem 17. Juni 1953 in Pankow nicht mehr sicher fühlte. Anfang der 1990er Jahre sprach man der Siedlung noch den Denkmalwert ab. Nach einer erneuten Prüfung im Jahr 2017 wurde die Entscheidung revidiert. Ausschlaggebend waren dafür die qualitätsvolle Gartengestaltung, die dort präsentierten Kunstwerke bekannter zeitgenössischer Künstler und die Freiräume in der Siedlungsgestaltung. Die Grundstruktur der Gebäude ist erhalten geblieben. Es gibt Überlegungen der Stadt, einzelne Häuser Besucher:innen zugänglich zu machen, wie zum Beispiel das Walter Ulbricht-Haus.

Die Turnhalle der ADGB-Schule in Bernau. Foto: J. Wiese, BLDAM, 2018

Und noch ein historisch bedeutender Ort gehört zur Stadt Bernau: Das Pfarrhaus in Lobetal hat durch das Ehepaar Honecker, das vom 30. Januar bis 3. April 1990 dort Asyl suchten, seine eigene und besondere Denkmalgeschichte.

Über alle diese Themen und einiges mehr sprechen in der Podcastfolge der Bernauer Bürgermeister André Stahl und der brandenburgische Landeskonservator Prof. Dr. Thomas Drachenberg.

Weitere Links:

Film zur ADGB-Schule in Bernau

Publikation zur ADGB-Schule in Bernau

037 Die Ostmoderne und die Denkmalpflege

Der „Aktivist“ in Eisenhüttenstadt. © Thomas Drachenberg, BLDAM, 2011

Die Ostmoderne ist derzeit in aller Munde. Doch was ist eigentlich ostmodern? Und was haben wir davon in Brandenburg zu bieten? Was gibt es da zu entdecken und wie gehen wir als Denkmalpfleger*innen damit um?

Zu diesen und weiteren Themen rund um die Ostmoderne und die Herausforderungen der Denkmalpflege spricht in der Podcastfolge die Pressesprecherin des BLDAM, Julia Gerber, mit dem Landeskonservator Prof. Dr. Thomas Drachenberg.

Mit der Ostmoderne ist eigentlich die Nachkriegsmoderne in den Staaten des ehemaligen Ostblocks gemeint. Sind also alle Bauwerke, die dort bis zur Wende 1989 entstanden sind, ostmodern?

Der „Aktivist“ in Eisenhüttenstadt in neuer Nutzung. © Thomas Drachenberg, BLDAM, 2011

Nach der Überwindung des traditionalistischen Formenapparates der „Nationalen Tradition“ in der Stalinzeit entstand seit den frühen 1960er Jahren mehr Offenheit für moderne Formen und Konstruktionen. Industrialisierung und Fortschritt wurden in der DDR stärker betont. Der Plattenbau ermöglichte aber auch die Industrialisierung des Wohnungsbaus, mit der dem eklatanten Wohnungsmangel begegnet werden sollte. Aber nicht nur Plattenbauten sind „ostmodern“, auch kühne Konstruktionen wie die Hyparschale von Ulrich Müther in Templin und weitere exzeptionelle Bauten zählen dazu. Die Großgaststätte „Aktivist“ in Eisenhüttenstadt repräsentiert schon allein wegen ihrer schieren Größe eine heute schwer zu nutzende und deshalb eher gefährdete Architektur – eine Gaststätte für mehrere hundert Gäste kann dort heute kaum wirtschaftlich betrieben werden. Die Erhaltung und Umnutzung kann vor diesem Hintergrund als besondere Erfolgsgeschichte angesehen werden. In den 1980er Jahren entstanden dann Bauten, die an gewachsene Strukturen angepasst sein sollten, wie etwa in Bernau, wo ein „Altstadtplattenbau“ von 1984/85 das derzeit noch jüngste Gebäude in der brandenburgischen Denkmalliste ist.

Schwedt, Berliner Str. 52, Wandmosaik „Der Mensch erobert das Weltall“, 1967, von Erich Enge.
© Dirk Schermer, BLDAM, 2021

Bei der Beschäftigung mit der Ostmoderne ist aber nicht nur die Architektur selbst zu betrachten. Bis Ende 2022 erfasst das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege baubezogene Kunst in den ehemaligen DDR-Bezirkshauptstädten Frankfurt an der Oder und Cottbus. Finanziert wird das Projekt durch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Am Industriestandort Eisenhüttenstadt läuft ebenfalls die flächendeckende Erfassung. In Schwedt wurde sie 2021 bereits abgeschlossen. Etwa 70 Objekte konnten hier dokumentiert werden, vom Wandmosaik „Der Mensch erobert das Weltall“ bis hin zu einer Betonstrukturmauer und zu Wohngruppenzeichen in großen Siedlungsanlagen.

Marie-Curie-Straße 1, Wohngruppenzeichen „Friedliche Anwendung der Atomkraft“, 1976, von Rudolf Grunemann. © Dirk Schermer, BLDAM, 2021